Nachdruck der 7. Auflage von "Der Bien und seine Zucht"

Vorwort zum Nachdruck „Der Bien und seine Zucht“

Ferdinand Gerstung erforschte an einem Wespennest die Brutnestordnung und verglich diese mit einem Bienenvolk. Aus diesen Erkenntnissen entwickelte er seine Auffassung vom „Bien“ als einem Organismus höherer Ordnung. Durch seine Erkenntnisse erklärte er die Lebensvorgänge des Bien auf eine grundlegend neue Sichtweise. Hierdurch wurden die bisherigen Erkenntnisse der „Alten Schule“ revolutionär verändert.

In der Nachschrift zu seinem Buch schrieb Karl Koch 1926:

„Es gibt kein Bienenbuch in der ganzen Bienenliteratur, in dem alles, worauf die Bienenzucht aufgebaut worden ist, so aus dem Wesen des Bienenvolkes und seinen Lebensgesetzen heraus begründet und abgeleitet worden ist.

So hat Gerstung der Bienenzucht ihre rechte naturwissenschaftliche Grundlage gegeben. Beachtet man, dass Gerstung kein Naturwissenschaftler war, wenn auch neben angeborenen Interesse für Natur mit besonderem Spürsinn für mancherlei Erscheinungen begabt, was ihn reichlich zu naturwissenschaftlichen Studien hintrieb, beachtet man, dass er nicht als Professor oder Doktor an einem bienenwissenschaftlichen Forschungsinstitut arbeitete, dass er seine ganz neuartigen grundlegenden Entdeckungen über das Grundgesetz der Brutnestordnung und die Arbeitsteilung im Bienenvolk gemacht hat, in einer Zeit, da man die Bienenforschung wissenschaftlich so ganz nach Zufall und Neigung nebenher trieb, so muss man mit dankbarem und ehrfürchtigem Staunen vor seiner Leistung stehen, die ein völlig Neues offenbarte, und wodurch er der starke Anreger und Wegweiser für das ganz große Gebiet der neuen Bienenforschung geworden ist.“

Mit August Ludwig gründete Gerstung den „Deutschen Reichsvereins für Bienenzucht“ woraus 1907 die Gründung des „Deutschen Imkerbundes“ hervorging. Für seine Verdienste um Bienenkunde und Bienenwirtschaft wurde ihm von der Universität Jena 1920 die Ehrendoktorwürde verliehen.

Das von ihm verfasste Lehrbuch „Der Bien und seine Zucht“ wurde in sieben Auflagen aufgelegt. Die erste Auflage erschien 1902 und die siebte 1926.

Es vermittelte dem Imker umfassende Erkenntnisse für eine wesensgerechtere Bienenhaltung in Theorie und Praxis.

Auch die von ihm entworfene und mit Erfolg eingesetzte „Gerstung-Beute“, mit einem neuen ungeteilten Brutraum-Rähmchenmaß von 460 mm x 250 mm, stieß zunächst auf massive Kritik. Die Erkenntnis, dass sich ein Volk besser auf einem ungeteilten Brutraum entwickelt, wurde vor allem von der „Alten Schule“ und den Verfechtern der kleineren Rahmenmaße massiv abgelehnt.

Die Gerstungbeuten waren zu ihrer Zeit sehr fortschrittlich und im In- und Ausland weit verbreitet. Es stellt sich uns die Frage, welche Umstände dazu geführt haben, dass der Weg des ungeteilten Brutraumes in Deutschland nicht konsequent weitergeführt wurde?

Erst später, in der 2. Hälfte des 20. Jahrhundert, wurden die Vorzüge des ungeteilten Brutraumes den Imkern durch die Vorträge von Bruder Adam wieder nahe gebracht.

Mit diesem Buchnachdruck möchten wir unsere Wertschätzung und Begeisterung über den Klassiker der Imkerliteratur zum Ausdruck bringen. Wir können Ferdinand Gerstung sehr dankbar sein für seine frühen wegweisenden Erkenntnisse. Sie sind wegbereitend für die Bienenforschung geworden und werden uns fortan imkerlich begleiten.

Der inhaltliche Originaltext wurde nicht verändert. Eine Anpassung fand lediglich bei der Frakturschrift statt.

Im September 2018,

Münster

Horst Wallkötter

Herten

Heiner Buschhausen

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  • Siehe folgende Ausführungen

    Einfach grandios, das Lebenswerk des Altmeisters Gerstung uns mit der Neuausgabe gut lesbar näher zu bringen.
    U.a. ist der ungeteilte Brutraum eine unumstößliche Kernaussage für eine natürliche, erfolgreiche Bienenhaltung! Dieses hochwertige Fachbuch wird großen Anklang finden.

    Horst und Heiner, mit dieser Teamarbeit habt ihr Großartiges geleistet. Danke.